Die nachstehende Ahnentafel meines deutschen Urgrossvaters Jakob Martin Mattmüller (ganz unten in der Grafik) ist bewusst unvollständig. Sie fokussiert auf die Vorfahren seiner Grossmutter mütterlicherseits. Sie zeigt in den grünen Boxen seine Schweizer Ahnen. Weitere Themen in diesem Kapitel sind die verschiedenen Schreibweisen von Namen, meine uneheliche Vorfahrin und ein Ahnenschwund.
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Schweizer Vorfahren
Jakob Martin Mattmüller (1841-1924) stammt aus D-Königschaffhausen. Er liess sich 1872/1873 in Mauren TG nieder und wurde dort 1893 eingebürgert. Seine Ahnen mit dem Familiennamen Mattmüller sind bis 1592 nachweisbar und stammen aus der Region Kaiserstuhl, westlich von Freiburg im Breisgau.
Viele Vorfahren seiner Grossmutter Catharina Bury (pink in der Grafik) waren bei Geburt Schweizer (grün), zogen nach Königschaffhausen und heirateten dort in der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts. Auch die väterlichen Vorfahren von Jakob Martin stammen aus Königschaffhausen: Der Familienname Mattmüller ist dort seit 1700 nachgewiesen, also einige Jahrzehnte später.
Der Hauptgrund für die Auswanderung aus der Schweiz war die Überbevölkerung und die damit verknüpfte wirtschaftliche Not. Auch forderte der Dreissigjährige Krieg (1618-1648) viele Opfer in Deutschland, so dass die Überlebenden um Unterstützung durch Einwanderer froh waren. So auch im nahen Ihringen oder im weiter entfernten Heidelberg[1].
Im Kirchenbuch von Königschaffhausen sind in den Jahren 1649-1660 nur 24 Heiraten eingetragen, davon 9 mit Schweizer Partnern. Aus 5 dieser sowie aus 2 Ehen der nächsten Generation stammt mein Urgrossvater, d.h. bei seiner Einbürgerung floss bereits 16% „Schweizer Blut“ in seinen Adern: 10 von 64 möglichen 4xUr-Grossvätern und -müttern waren Schweizer.
Anna Kernen
Sie wurde 1636 in Steffisburg BE als Tochter von Joggi (Jacob) Kernen und Maria Claus geboren. Im Familiennamenbuch der Schweiz ist Steffisburg nicht als Bürgerort des Geschlechts Kernen aufgeführt. Entweder war Steffisburg nur der Wohnort oder es existierte 1962 (Stichjahr des Familiennamenbuches) kein lebender Nachkomme mehr mit Bürgerort Steffisburg. Ich vermute eher letzteres, da damals mehrere Kernen-Familien in Steffisburg lebten.
Der Heiratseintrag im Kirchenbuch lautet: „zu Königschaffhausen copuliert (getraut) Hanss Ulrich Schneider und Anna Kernerin von Steffenburg Berner Gebiets“. Bei den Taufeinträgen ihrer Kinder variiert ihr Name zwischen Kerner(in) und Kernen. Da die Pfarrer die Schweizer Mundart nach Gehör aufschrieben, kam es zu Namensänderungen.
Regina Schweller
Wurde etwa 1630 als Regula Schwälli in Dällikon ZH geboren. Ihr Name wurde in den Kirchenbüchern ab ihrer Heirat „eingedeutscht“: Der Zürcher Vorname Regula mutierte zur süddeutschen Regina und aus Schwälli wurde Schweller. In Heidelberg ist ein Heinrich Schwelli, ebenfalls in Dällikon geboren, nachgewiesen.
Regina/Regula heiratete 1652 Johannes Fischer. Er verstarb bereits 1659. Noch im selben Jahr, am 14. November, heiratete sie Johann Sebastian Lichtenfels, am gleichen Tag, an dem auch die „Copulation“ Anna Kernen mit Johann Ulrich Schneider stattfand. Es waren die einzigen Trauungen in diesem Jahr in Königschaffhausen – beide mit Schweizer Beteiligung!
Peter Klentsch
Kläntschi ist ein altes Berner Geschlecht, das zu Klentsch mutierte. Beim Trauungseintrag im Kirchenbuch wurde nachträglich eine Notiz zu seiner Herkunft eingefügt: „geb. 2.2.1623 zu Murzelen bei Wohlen (Kt. Bern), Eltern: Klentsch Hans u. geb. Dyrenwächter“[2]. Der Name Thierwächter ist in Wohlen BE verbürgert. Wann und wo Peter Kläntschi starb, konnte ich nicht klären. Da seine Frau, Rosina Reber, am 4.12.1682 Martin Spitzer in 2. Ehe heiratete, muss dies vorher geschehen sein.
Rudolph Hirzler
Wurde als Rudolph Hürzeler in Uerkheim AG getauft. Er heiratete 1660. Der Trauungseintrag lautet: „Den 6. Februar 1660 wardt zu Königschafhausen copuliert Rudolph Hirzler […] von Hinderweyler Berner Gebietts (Hinterwil, Gemeinde Uerkheim AG) aus der Lenzburger Herrschaft […], mit Elisabeth Reiniger von Olting Basler Gebietts (Oltingen BL)“. Wurde manchmal auch als Hirtzler geschrieben. Er starb als Bürger von Königschaffhausen.
Elisabeth Reiniger
Familienname auch Reinger, Reininger. Das Geburtsdatum errechnet sich aus der Altersangabe beim Sterbeeintrag und ist deshalb mit Vorsicht zu betrachten. Im Kirchenbuch von Oltingen BL habe ich keine passende Taufe zwischen 1625-1642 gefunden. Die Suche in Olsberg BL – dort ist das Geschlecht nachweisbar – verlief erfolglos. Das Geschlecht Reiniger ist in Magden AG altverbürgert. Magden war damals katholisch und gehörte zu Vorderösterreich. Vielleicht konvertierte Elisabeth im reformierten Oltingen bevor sie nach Königschaffhausen zog.
Nicolaus Bury
Wurde als Nicolaus Bory in Coppet VD geboren. Der Familienname wurde in den deutschen Kirchenbüchern meistens als Bury, vereinzelt als Buri geschrieben. Der Heiratseintrag im Kirchenbuch D-Köndringen lautet: „Den 24. Octob. [1659] haben Ihren hochzeitlichen Ehrentag gehalten Niclaus Buri von Coppet Berner Gepiethes (Coppet gehörte bis 1798 zu Bern), Zimmermann, weyl.[and] (verstorben) Ludwig Buri Bürgers daselbst hinderlassener ehelicher Sohn, der zu Königs-Schafhausen sich häuslich gesetzet undt J.[ungfer] Anna Maria, mein M.[agister] Justis Wollenwebers Pastoris p.[ro] t.[empore] ordinaii (zur Zeit bestellter Pastor) eheliche undt ältiste Tochter“.
Das Staatsarchiv Waadt verfügt über ein Bory Familenarchiv.[3] Es enthält auch eine Personenliste. Darin ist weder Nicolaus noch Ludwig aufgeführt.
Die Ehefrau von Nicolaus, Anna Maria Wollenweber, stammt aus einer Pfarrersfamilie, ebenso ihre Mutter, eine geborene Pappus. Über „Die Familie Pappus und ihre Nachkommen in Strassburg und Baden“ gibt es einen interessanten Aufsatz.[4] Darin aufgeführt ist auch Nicolaus Buri mit dem Hinweis, dass Buri in Königschaffhausen zu den bekannten und beliebten Handwerkerfamilien gehörte.
Johann Jacob Hofer
Er stammt aus Bözberg AG, verliess die Schweiz und heiratete die in D-Königschaffhausen geborene Schweizerin Maria Hirzler, Tochter der oben erwähnten Rudolph Hirzler und Elisabeth Reiniger.
Hofer und seine Frau Maria verstarben in D-Bahlingen, einer Nachbargemeinde von Königschaffhausen. Text beim Sterbeeintrag von Maria Hirzler: „[…] Sie kam vor 14 Tagen kränklich zu ihrer Tochter, der jetzigen Schulfrau […] u. starb durchs Alter ausgezehrt“. Und beim Tod von Johann Jacob Hofer: „[…] hielt sich zu weilen bey seiner Tochter der dermahligen Schulmeisterin hier auf, bekam seit dem Herbst die Gelbsucht.“ Bei der Tochter dürfte es sich um Agnes gehandelt haben, sie war mit Johann Georg Stählin verheiratet. Er war Schulmeister (Leiter einer Schule) und sie war deshalb wohl „Frau Schulmeister“.
Catharina Bury – die ledige Mutter
(Pink in der Grafik). Beim Taufeintrag ihrer Tochter Maria Barbara Renzler findet sich – neben den Angaben zu Mutter und Vater – folgende Notiz: „Aus Hurerey gebohren. Nach obrigkeitlich Erkenntnis vom 18. Sept. 1808 ward hier Oberwundarzt Renzler (aus Malterdingen) zum Vater des Kinds erklärt.“ Der Begriff „aus Hurerei geboren“ wurde damals für vor- und uneheliche Kinder verwendet.
Bei wem wuchs Maria Barbara wohl auf? Ihr Vater heiratete 1809 in Malterdingen Anna Katharina Sexauer und ihre Mutter, Catharina Bury, ein Jahr später in Opfingen Johannes Beutenmüller. Teilten sich die Eltern die Erziehung, obwohl die beiden Orte gut 20 km Fussmarsch voneinander entfernt sind? Oder blieb Maria Barbara bei Verwandten in Königschaffhausen, da sie dort 1830 meinen Ururgrossvater Martin Mattmüller heiratete?
Die Ahnen von Catharina Bury waren „verantwortlich“ für die teilweise schweizerische Abstammung meines deutschen Urgrossvaters. In ihren Adern floss zu 5/8 Schweizer Blut.
Ahnenschwund
Normalerweise hat jede Person Vater und Mutter, je 2 Grossväter und -mütter, je 4 Urgrossmütter und -väter, je 8 Ururgrossväter und -mütter usw. Bei Catharina Bury (pink) trifft das bis auf die Generation der Urgrosseltern (zweitoberste Reihe) zu. Die oberste Reihe zeigt die Ururgrosseltern. Hier kommt Ururgrossmutter Regina Schweller zweimal vor, da sie zuerst mit Ururgrossvater Johannes Fischer und nach dessen Tod mit Ururgrossvater Johann Sebastian Lichtenfels verheiratet war. Dies führt zu einem Ahnenschwund, auch Implex genannt, da eine Ururgrossmutter quasi fehlt.
Weitere Beispiele zum Ahnenschwund finden sich im Kapitel Verwandtenehen.
Quellen
[1] Norbert Emmerich: Schweizer (Einwanderer) in Heidelberg nach dem Dreissigjährigen Krieg. Heidelberg 2009. URL: https://sehum.dynv6.net/pdf/Schweizer%20(Einwanderer)%20in%20Heidelberg.pdf.
[2] auch gefunden im Kirchenbuch 1 Wohlen BE, Taufrodel (1595-1647), Seite 170. URL: http://www.query.sta.be.ch/detail.aspx?ID=234085, PDF-Seite 88.
[3] Staatsarchiv des Kantons Waadt. PP 983. URL: http://www.davel.vd.ch/?ID=588746
[4] Rolf Eilers, in Südwestdeutsche Blätter für Familien- und Wappenkunde, Band 36 – 2018, S. 45-58. Herausgeber: Verein für Familienkunde in Baden-Württemberg e.V.