Stammtafel
Begründer der Dübendorfer Linie ist Karl Jakob Mattmüller (grün in der Grafik). Er erhielt 1948 das Bürgerrecht von Dübendorf ZH. Die Lebensorte seiner Vorfahren gehen aus den Wanderungsbewegungen der Schweizer Mattmüller hervor. Nachkommen sind nicht bekannt. Der Dübendorfer-Zweig ist ausgestorben.
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Die Geschwister von Karl Jakob Mattmüller sind Bürger von Lützelflüh BE. Warum nicht auch Karl Jakob? Sein Vater war Deutscher, seine Mutter Schweizerin. Mit der Heirat verlor sie das Schweizer Bürgerrecht. 1922 verstarb der Ehemann. Lina Mattmüller-Wymann liess sich deshalb 1922 in Lützelflüh, ihrem früheren Heimatort, zusammen mit ihren minderjährigen Kindern wieder einbürgern. 1922 war Karl Jakob bereits volljährig, er behielt deshalb vorerst die deutsche Staatsbürgerschaft.
Einbürgerungsort Dübendorf (1948)
Dübendorf ist eine politische Gemeinde im Bezirk Uster, Kanton Zürich. Dazu gehören die Orte Gfenn, Hermikon, Stettach, Gockhausen, Geeren und Dübelstein. 1910 wurde zwischen Wangen und Dübendorf ein Flugfeld eingerichtet. 1914 wurde Dübendorf eidgenössischer Militärflugplatz, 1922 fanden die ersten Linienflüge statt, 1932 wurde auf Wangener Gebiet ein Zivilflughafen erstellt. 1948 wurde er nach Kloten verlegt. Seither ist Dübendorf Militärflugplatz.
Die politische Gemeinde Dübendorf zählte 1900 rund 2’500 Einwohner, 1950 waren es 6’750 und Ende 2016 27’700.[1] In Gockhausen, wo Karl Jakob Mattmüller seit 1935 wohnte, zählte man 1920 22 Haushaltungen in 12 Wohnhäusern, 1945 34 Haushaltungen in 21 Häusern.[2]
Karl Jakob – der Taxihalter
Am 26. April 1926 annoncierte K. Mattmüller in der Neuen Zürcher Zeitung seine Taxi-Dienste mit der Telefonnummer H. 4411.[3] Im Telefonbuch Zürich von 1926[4] findet sich ein ähnlicher Eintrag:
„Mattmüller, K., Privat-Taxameter, Dorfstr. 46, Hottingen 44.11″
Hottingen ist in diesem Fall nicht der Stadtteil, sondern die Telefonzentrale, das „Amt“. Die Dorfstrasse lag im Kreis 6. Er liegt nördlich der Altstadt und umfasste die Quartiere Ober- und Unterstrass.
Die Stadt Zürich erteilte am 27. April 1928 eine baupolizeiliche Bewilligung für das Bauprojekt „K. Mattmüller, Wohnhaus mit Autoremisen und Einfriedung Cäcilienstrasse Nr. 6, Z.[ürich] 7“.
Preise damals und heute
Wie lässt sich der Kilometer-Preis von 45 Rappen einordnen? Einen Hinweis zum damaligen Preisniveau gibt – auf der gleichen NZZ Inserateseite – die Einladung zu einem Klavier-Abend am 22.4.1926 im kleinen Saal der Tonhalle Zürich. Es waren Billette zu 5, 4, 3 und 2 Franken erhältlich. 2017 kosten die Tickets im gleichen Saal zwischen 75 und 20 Franken, also 10 – 15 Mal mehr. Wenn man vom gleichen Faktor ausgeht, würden die 45 Rappen einem heutigen Preis von Fr. 4.50 – 6.75/km entsprechen.
Am 1.1.2015 gilt nachstehender Taxitarif in der Stadt Zürich, inkl. Mehrwertsteuer, für 1-4 Fahrgäste:[5]
Maximale Grundtaxe: pro Fahrt Fr. 8.00
maximale Fahrttaxe: pro Kilometer Fr. 6.00
maximale Wartezeittaxe: pro Minute Fr. 1.33
Fazit: Das Preisverhältnis Tonhalle zu Taxis in der Stadt Zürich hat sich in den letzten 100 Jahren nicht verändert.
Karl Jakob – der Erfinder
1948 wurde eine Patentschrift von Karl Mattmüller, Gockhausen bei Dübendorf veröffentlicht.[6] Gegenstand der Erfindung ist ein Zeichnungspult zum Retouchieren und Skizzieren. Wurde sie realisiert? Wer produzierte das Pult, wer waren die Anwender? Steht ein Exemplar in einem Museum oder privat irgendwo im Keller oder Estrich?
Download der Patentschrift: Mattmüller Karl_Patentschrift 1947
Mehrere Anläufe bis zur Einbürgerung
Karl Jakob wurde 1898 als uneheliches Kind geboren. Seine Mutter, Lina Wymann, war Bürgerin von Lützelflüh BE. Somit war Karl Jakob Schweizer. Sein Vater, Jakob August Mattmüller, war deutscher Staatsangehöriger. 1899 heirateten Lina und Jakob August. Nach damaligem Recht verloren dadurch Mutter und Sohn ihre Schweizer Staatsbürgerschaft.
Am 1.3.1922 verstarb der Vater. Die Mutter liess sich deshalb zusammen mit ihren unmündigen Kindern in ihrem ehemaligen Heimatort Lützelflüh wieder einbürgern. Karl Jakob war aber schon älter als 20 Jahre und blieb Deutscher. Weshalb er erst 1948 Bürger von Dübendorf ZH wurde, ist aus einem Dossier im Bundesarchiv[7] ersichtlich:
Erstes Gesuch
1921 hätte sich Karl Jakob in Bergdietikon AG einbürgern können. Die eidgenössischen Bewilligung lag vor, aber die Einkaufsgebühr für das Gemeinde- und Kantonsbürgerrecht von angeblich 2’000 Franken konnte er nicht aufbringen und er liess das Gesuch fallen.
Zweites Gesuch
Am 2.11.1931 stellt Karl Jakob das „Gesuch um Erteilung der eidgenössischen Bewilligung zur Erwerbung eines Gemeinde- und Kantonsbürgerrechtes“ an die eidg. Fremdenpolizei. Er beabsichtigt, sich in der Stadt Zürich einzubürgern, da er seit 1926 dort wohnt.
Am 6.1.1932 lehnt die Fremdenpolizei das Gesuch ab. Basis für den Entscheid ist ein „Spezialrapport“ vom 25.11.1931 des Polizeikorps des Kantons Zürich. Darin heisst es:
„[…] Sachdienliche Nachforschungen zeitigten folgendes: Mattmüller ist in Basel geboren & im Kanton Aargau aufgewachsen. Aus der Volksschule entlassen, erlernte er den Beruf eines Automechanikers. Im Jahre 1913 siedelte er nach Lörrach, Bad.[en] über, dem Wohnort seines Vaters. Als im August 1914 der Weltkrieg ausbrach, nahm er den Finkenstrich [sich rasch und unbemerkt entfernen] & drückte sich in die Schweiz. Er ist nie in den Kriegsdienst eingerückt, wurde dann aber angebl.[ich] von einem aus Offizieren bestehenden Gericht in Lörrach, Bad., wo er sich hatte stellen & persönlich einfinden müssen, von aller Schuld freigesprochen. Seine Frau ist eine geborene Aargauerin.
Mattmüller hat in Zürich nicht speziell Glück gehabt. Er war s. Zt. Besitzer eines Autobetriebes – Taxameter – kam aber wegen einer Hausbauerei in Schulden & verlor Hab & Gut. Aus dieser Zeit – 1930 – figurieren zwei Verlustscheine; einer zu Gunsten einer Fuhrhalterei […] von Frk. 638.- & ein solcher im Betrage von Frk. 774.- auf die Firma Mercedes-Benz A.-G. in Zürich 4. Ferner hat Mattmüller in den beiden letzten Jahren noch 4 weitere Betreibungen über sich ergehen & teilweise zur Pfändung kommen lassen. Darunter figurieren auch die Gemeindesteuern pro 1930. Man sollte dann doch glauben, dass zwei Eheleute, die nur für ihre eigenen Mäuler zu sorgen haben, ihren Verpflichtungen gegenüber ihren Mitmenschen nachkommen sollten. […]
Mattmüller ist nicht vorbestraft, hat auch nie in Strafuntersuchung gestanden. Sein Leumund ist diesbezüglich makellos & wären nicht die beiden Verlustscheine Tatsache, so dürfte er zur Aufnahme ohne weiteres empfohlen werden. Angesichts dieser Umstände scheint mir aber eine Empfehlung zur Aufnahme ins Bürgerrecht doch verfrüht. Mattmüller soll vorerst seine Gläubiger vollauf befriedigen wie dies von vollwertigen Bürgern verlangt werden darf. In beruflicher Hinsicht gilt Mattmüller als guter Mechaniker & Chauffeur. Seit seinem herwärtigen Aufenthalt hat er immer auf eigene Rechnung gearbeitet.“
Drittes Gesuch
Am 8.1.1940 stellt Mattmüller ein weiteres Gesuch. Er wohnt seit 1935 in Gockhausen bei Dübendorf ZH und möchte sich in Kaisten AG einbürgern, weil seine Ehefrau vor der Heirat dort Bürgerin war. Er lässt das Gesuch via Rechtsanwalt Dr. G. Corrodi von Zürich an die Eidgenössische Fremdenpolizei, Bern weiterleiten. Im Begleitbrief schildert Corrodi das bisherige Leben von Mattmüller, weist auf die verschiedenen Arbeitsorte hin, erläutert, dass er ein Zweifamilienhausen in Gockhausen bauen konnte und beschreibt ihn als einen anständigen, hilfsbereiten Menschen von gut schweizerischer Gesinnung und es sei für Mattmüller bedrückend, dass seine Geschwister Schweizer seien und er als Ausländer abseits stehen müsse.
Die Polizeistation Dübendorf überprüft die Situation von Mattmüller, klärt das Familieneinkommen der letzten Jahre gemäss Steuerregister, stellt fest, dass er nicht vorbestraft ist. Und weiter:
Die nachfolgende Zusammenfassung der negativen Aspekte aus dem Polizeibericht erstellte die Bundesanwaltschaft.[8]
Zum Schluss heisst es: „Ausser den bereits erwähnten Sachen konnte nichts festgestellt werden, was gegen eine Einbürgerung sprechen würde.“
Die Polizei der Stadt Zürich erstellt für die Zeit, die Mattmüller in Zürich wohnte (1926-1935) ebenfalls einen Bericht. Sein ehemaliger Arbeitgeber stellt ihm ein sehr gutes Zeugnis aus. Durch das Statthalteramt Zürich wurde er einige Male gebüsst, z.B. für „zu rasches Autofahren“ mit 20 Franken oder für „unbeleuchtetes Stehenlassen des Autos“ mit 10 Franken. Der Verlustschein der Fuhrhalterei war noch pendent, der andere war erledigt.
Vor Zürich wohnte Mattmüller ein Jahr in Dietikon ZH. Auch diese Polizeistationen verfasste einen Bericht. Erwähnt wird eine Busse von 2 Franken und ein Zahlungsbefehl über Fr. 13.20, der bezahlt wurde. Das Fazit lautete: „Ueber den Bürgerrechtsbewerber konnte sonst nichts Nachteiliges in Erfahrung gebracht werden.“
Am 1.4.1940 schreibt die Direktion des Innern des Kantons Zürich an das Eidg. Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) in Bern:
„Wir beantragen Ihnen, das Einbürgerungsgesuch des deutschen Reichsangehörigen Karl Jakob Mattmüller, Mechaniker, geboren 1898, wohnhaft in Gockhausen-Dübendorf, zurzeit abzuweisen. Seine politische Einstellung und auch sein wirtschaftliches Fortkommen sind gegenwärtig zu wenig abgeklärt, so dass eine gewisse Bewährungsfrist angezeigt ist.“
Die Bundesanwaltschaft schreibt am 14.6.1940: „Im Hinblick auf die ungenügende politische Assimiliation des Bewerbers unterstützen wir den Abweisungsantrag der Zürcher Behörden.“
Mit Brief vom 18.6.1940 erhält Rechtsanwalt Dr. Corrodi den Ablehnungsentscheid mit der Begründung, Karl Jakob Mattmüller „biete noch keine genügende Gewähr für staatstreue Gesinnung gegenüber unserem Lande.“
Viertes Gesuch
Am 13.11.1947 reicht Mattmüller erneut ein Einbürgerungsgesuch ein. Der Polizeiposten Dübendorf verfasst einen 12-seitigen Bericht. Darin werden u.a. folgende Punkte beleuchtet:
- Familienverhältnisse von Ehemann, Ehefrau und Geschwister
- Frühere Aufenthaltsorte
- Familienleben
- Gesundheitszustand
- Schulen, Lehre, Arbeitsorte
- Arbeitsleistung
- Vermögens- und Einkommensverhältnisse
- Steuerbezahlung
- Existenz (aktuelle berufliche Situation)
- Finanzielle Verpflichtungen
- Gerichtliche und polizeiliche Strafen
- Vereinszugehörigkeit
- Anpassung
- Finanzielle Mittel zur Einbürgerung
- Politische Einstellung
- Schlussbemerkungen
Jetzt unterstützen die Behörden das Einbürgerungsgesuch. Am 5.8.1948 erteilt das EJPD die Bewilligung zur Einbürgerung im Kanton und in der Gemeinde Dübendorf.
Einbürgerungsverfahren heute
Mein Urgrossvater wurde 1893 eingebürgert. In diesem Kapitel ist auch beschrieben, wie das Einbürgerungsverfahren heute abläuft.
Quellen
[1] http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D128.php. Stand 12.05.2017.
[2] Heimatbuch Dübendorf, 1970. Autoren: Ruth und Walter Dürig, Gockhausen.
[3] Neue Zürcher Zeitung vom 22.04.1926 Seite b4.
[4] PTT-Archiv, P-260-1_1926/27.
[5] Taxitarif Stadt Zürich 935.440, gültig ab 1.1.2015. Stand 24.05.2017.
[6] Staatsarchiv Kt. Zürich. URL: https://suche.staatsarchiv.djiktzh.ch/detail.aspx?Id=1110403. Stand 13.05.2017.
[7] Bundesarchiv. E4264#1000/842#5029*. URL: https://www.recherche.bar.admin.ch/recherche/link/de/archiv/einheit/5327341. Stand 16.04.2020.
[8] Bundesarchiv. E4320B#1991-15#297. URL: https://www.recherche.bar.admin.ch/recherche/link/de/archiv/einheit/3574480. Stand 18.4.2020.